Rhetorik 11: Haben Sie Mut zur (Denk‑)Pause
Tipps&Tricks für erfolgreiche Kommunikation
Frage ich in meinen Rhetorikseminaren, warum die Teilnehmenden bisher nie frei gesprochen haben, höre ich meist denselben Grund: Angst, den Faden zu verlieren oder nach einer Formulierung suchen zu müssen.
Die meisten Kursbesucher*innen lesen deshalb bei der ersten Übung ihr Kurzreferat ab. Meist viel zu schnell, denn erstens sind sie aufgeregt, und zweitens lesen sie fertig Ausformuliertes.
Nur wirklich Geübte schaffen es, einen Text so vorzulesen, dass er in angenehmem Tempo daherkommt. Alle anderen sprechen beim Lesen atemlos und viel zu schnell, als dass die Zuhörenden folgen könnten: Ein Satz jagt den anderen, ein Abschnitt reiht sich übergangslos an den nächsten.
Denkpausen der referierenden Person sind auch Denkpausen für das Publikum
Wer frei redet, legt fast automatisch kurze Pausen ein: um die Folgegedanken zu ordnen oder um nach den passenden Worten zu suchen. Für das Publikum ist dies im Normalfall äusserst angenehm. Die Hirne der Zuhörenden erhalten eine kurze Verschnaufpause und – wenn das Schweigen ein paar Sekunden länger dauert – sogar die Möglichkeit, das Gehörte zu rekapitulieren.
Wiederkehrende Einsicht anlässlich der Rhetoriktrainings: Fühlten sich diese Pausen beim Vortragen noch unendlich lange an (das passende Wort wollte einem einfach nicht einfallen), erscheinen sie beim Betrachten der Videoaufnahme plötzlich gar nicht mehr lange, sondern sehr angenehm.
Gekonnt platzierte Pausen als rhetorisches Mittel
Versierte Rednerinnen und Redner wissen Pausen gezielt einzusetzen, um die Wirkung ihrer Aussagen zu untermalen: Nach einem Kernsatz schauen sie schweigend in die Runde und lassen die letzten Worte im Raum (und in den Köpfen) nachhallen. Beim ersten Mal braucht es beinahe Mut zum Schweigen – mit etwas Übung passieren solche Kunstpausen schliesslich fast automatisch.
Wie so oft im Leben gilt aber: nicht übertreiben! Nur sparsam eingesetzt, entfaltet die Pause ihre rhetorische Wirkung.
Um den Faden beim freien Reden nicht zu verlieren, gibt es bewährte Hilfsmittel wie Kärtchen mit Stichworten. Auf diesen lassen sich natürlich auch geplante Kunstpausen gross und deutlich eintragen.
Mehr zu den einzelnen Schritten in den nächsten Beiträgen:
- Rhetorik 1: Die mündliche Kommunikation und ihre Eigenheiten
- Rhetorik 2: Das Nonverbale sagt weit mehr als viele Worte
- Rhetorik 3: Von der Unmöglichkeit, Schachteln akustisch zu entpacken
- Rhetorik 4: Seien Sie so frei – sprechen Sie frei!
- Rhetorik 5: Welches Deutsch sprechen wir?
- Rhetorik 6: Reissen Sie mit – von Beginn weg
- Rhetorik 7: Der Schlusssatz verdient besondere Aufmerksamkeit!
- Rhetorik 8: Die nonverbale Kommunikation ist nicht (nur) zufällig
- Rhetorik 9: Ein überzeugender Auftritt will vorbereitet sein
- Rhetorik 10: Reden Sie nicht für sich, sondern für das Publikum
- Rhetorik 11: Haben Sie Mut zur (Denk‑)Pause
- Rhetorik 12: Nutzen Sie Ihre Hände
- Rhetorik 13: Das Podiums-Paradox
zum nächsten Beitrag: Rhetorik 12: Nutzen Sie Ihre Hände